Projekt Hoffnung. Bielefelder Modellprojekt „Hêvî“ für langzeitarbeitslose und traumatisierte Flüchtlinge gestartet.

„Hevi“ bedeutet in der arabischen und kurdischen Sprache „Hoffnung“ und ist deshalb als Leitmotiv von den vier Projektpartnern ausgewählt worden. Über die Laufzeit von 3 Jahren werden nun Angebote für Menschen mit Fluchterfahrung durchgeführt und weiterentwickelt. Fachlich unterstützt wird „Hêvî“ durch den Projektbeirat aus Expertinnen und Experten zur sozialen und beruflichen Integration von Zuwanderinnen und Zuwandern. Geleitet wird das Gremium vom Bielefelder Sozialdezernenten, Ingo Nürnberger. „Das Projekt ist eine große Chance für die Geflüchteten, trotz ihrer schrecklichen Erlebnisse und der traumatischen Folgen Integrationsfortschritte in ihrer neuen Heimat machen zu können. Und damit ist das Projekt auch eine große Chance für die Stadt selbst.“, hebt der Sozialdezernent hervor.

Das Land NRW fördert den Bielefelder Ansatz mit 2 Mio. € aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. „Wir beobachten die Probleme der geflüchteten Zuwanderer bereits seit Jahren und sind deshalb schon länger im Gespräch mit politischen und ministeriellen Vertretern“, erklärt der Geschäftsführer des Jobcenters Arbeitplus Bielefeld, Rainer Radloff. „Jetzt sind wir sehr froh, dass wir die Landesregierung überzeugen konnten, uns in unserer Arbeit für diese Zielgruppe zu unterstützen.“ Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) hat ein hohes Interesse an neuen Konzepten, wie die Arbeitsmarktintegrationen von Menschen gelingen kann, die nach traumatisierenden Erlebnissen und aufgrund fehlender Qualifikationen, Sprachkenntnissen oder gesundheitlichen Einschränkungen keinen Weg in Beschäftigung gefunden haben.

„Hêvî will Antworten darauf geben, was getan werden muss, wenn eine Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt nicht innerhalb von wenigen Jahren erfolgreich ist“, erklärt der Projektleiter Markus Link vom Jobcenter Arbeitplus Bielefeld. „Dabei ziehen wir auch in Betracht, dass eine Traumatisierung vorliegt, die der Arbeitsmarktintegration im Wege steht.“ Übergeordnetes Ziel des Bielefelder Modells ist es, für alle Jobcenter die Arbeit mit Geflüchteten weiterzuentwickeln, um einen dauerhaften Bezug von Arbeitslosgengeld II zu vermeiden.

Im Mittelpunkt von „Hêvî“ stehen irakisch-jezidische Migrantinnen und Migranten sowie Menschen aus andere Ethnien mit Fluchterfahrung. Sie sind aufgrund komplexer Vermittlungshemmnisse mehr als andere von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. In Bielefeld leben derzeit ca. 3500 Erwachsene mit Fluchterfahrung von Arbeitslosengeld II. Ca. 60% davon sind irakische Jeziden, die sich seit der Jahrtausendwende in Bielefeld angesiedelt haben. Ein großer Teil dieser Gruppe hat den Einstieg in den Arbeitsmarkt noch nicht gefunden. Die Gründe sind vielschichtig und liegen hier insbesondere in dem fehlenden Wissen über die Möglichkeiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt, einer kaum verwertbaren Bildungs- und Berufsbiographie, fehlenden Sprachkenntnissen und einer aufwendig zu leistenden Kinderbetreuung in den Großfamilien.  

Aufgrund des geringen Bildungsstandes und des anhaltenden Ausschlusses vom ersten Arbeitsmarkt, konnten berufliche Kenntnisse aus dem Herkunftsland kaum genutzt oder ausgebaut werden. Damit einhergehend nahmen nur wenige Menschen aus der Zielgruppe an qualifizierenden Förderangeboten teil, die eine sichere Perspektive auf dem Arbeitsmarkt und eine Entlohnung oberhalb des Mindestlohns ermöglichen. Arbeitsaufnahmen - zumeist in Teilzeit - finden in der Regel in Beschäftigungsfeldern statt, die aus dem Herkunftsland bekannt sind.

Verantwortlich für das überdurchschnittliche Arbeitslosigkeitsrisiko sind außerdem durch Flucht und Vertreibung erlittene Traumata. Verschiedene Untersuchungen stellen bei zahlreichen Flüchtlingen eine posttraumatische Belastungsstörung fest. In der Folge können das Lernvermögen und die Anpassungsfähigkeit an neue Situationen entscheidend eingeschränkt sein - der Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt ist erheblich erschwert.

„Hêvî“ möchte diese Vermittlungshemmnisse beheben, die Projektpartner machen den teilnehmenden Familien umfangreiche Angebote. Die Familien werden in ihrem Entwicklungsprozess – aber auch auf dem Weg durch den Behördendschungel - eng begleitet, Qualifizierung für Frauen und Männer angeboten und die Erwachsenen bei der Integration in den Arbeitsmarkt intensiv begleitet und „gecoacht“. Das Wissen der Eltern über die deutsche Arbeitswelt wird durch Betriebsbesichtigungen und Informationsveranstaltungen zu Berufsbildern, deren Zukunftschancen und Verdienstmöglichkeiten gestärkt. Alle Aktivitäten haben zum Ziel, bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Kräfte für das Erlangen neuer Handlungskompetenzen frei zu setzen, Bildungsinteresse zu wecken und die sozialen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der erlittenen Traumatisierung zu mildern.

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